Über Datenbank

Schon seit dem Mittelalter war das Böhmerland die Heimat von mehreren Ethniken, während des 19. Jahrhunderts standen die Tschechen und Deutschen im Prozess der Entfaltung der bürgerlichen und nationalen Gesellschaft aber auf den entgegengesetzten Seiten der Barrikaden. Derweil die ersteren eine stets bedeutendere Stellung erlangten, kämpften die anderen um die Bewahrung ihrer Positionen. Jede Nation bemühte sich dabei um die Abgrenzung und Verteidigung ihrer eigenen Identität. Auch deswegen blieb die die Deutschböhmen repräsentierende Kunst bis vor kurzem außerhalb des Interesses der tschechischen Kunsthistoriker. In der Geschichte der tschechischen Kunst des 19. Jahrhunderts war nicht einmal Platz für jene Werke, die in Böhmen von den Architekten geschaffen wurden, die aus den österreichischen oder deutschen Ländern stammten. Zum völligen Vergessen verurteilt war jedoch vor allem das Schaffen der Deutschböhmen.

Die Aufgabe der vorliegenden Datenbank ist es, diese Lücke zu füllen und die breitere Öffentlichkeit mit Architekten und Bauten bekannt zu machen, die lange keinen Platz im Kanon der „tschechischen“ Kunstgeschichte hatten, jedoch zum kulturellen Erbe des böhmischen Landes gehören. Sie enthält biographischen Daten der in Böhmen wirkenden und zur lokalen, deutschen Nationalgesellschaft gehörenden Architekten, genauso wie Daten auswärtiger, österreichischer und deutscher Architekten, die hier einige ihrer Werke hinterließen. In der Datenbank der Bauten und Projekte wird nicht nur ihr Schaffen erfasst, sondern auch die den Deutschböhmen dienenden Bauten, welche von Architekten entworfen wurden, die unter die tschechischen Künstler eingereiht werden. Bis zum Beginn der siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts konnte ein sich zur tschechischen Nationalgesellschaft bekennender Architekt auch einen Bau mit einem außergewöhnlichen, deutschen Nationalethos projektieren.

Eines der Ziele der Datenbank und der Ausstellung ist es, auf die gemeinsamen Züge der Architektur der beiden Nationen aufmerksam zu machen, deswegen konzentrierten wir uns auf einen älteren Zeitraum, als der Prozess der schrittweisen nationalen Differenzierung sich gerade erst vollzog: vom Revolutionsjahr 1848 bis zur definitiven Spaltung der Tschechen und Deutschen bei der Vorbereitung der Jubiläumsausstellung des Jahres 1891. Sie sollte eine Landesausstellung sein, aber die zweite der beiden Landesnationen hat sich an ihr nicht mehr beteiligt. Wegen des großen Interesses haben wir schließlich doch auch die Architektur und die Künstler außerhalb der festgelegten Periode, und zwar bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs, in die Datenbank eingeordnet. Die Daten aus dem jüngeren Zeitraum sind jedoch vorläufig nur bruchstückhaft. Die Ergänzung der Angaben und des Bildmaterials wird auch in der Zukunft kontinuierlich weiter geführt werden. Wir freuen uns deswegen über ihre Anmerkungen, Kommentare und Hinweise auf eventuelle Mängel.

Die Online-Datenbank und die Ausstellung entstanden im Rahmen des Forschungsprojektes „Kunst, Architektur, Design und Nationalidentität“, geleitet von dem Lehrstuhl für Theorie und Geschichte der Kunst an der Akademie für Kunst, Architektur und Design Prag. Das Projekt wurde vom Kulturministerium der Tschechischen Republik im Rahmen Angewandter Forschung und der Entwicklung der nationalen und kulturellen Identität unterstützt (NAKI, DF12P01OVV041).

Für Beratung und Inspiration danken wir dem Projekt usti-aussig.net.


Autor Kontakt

Věra Laštovičková
v.lastovicka@seznam.cz